Kreativ-Park JA, Kreativität NEIN, DANKE?

Der Schlachthof in Karlsruhe ist ein Stück Stadtgeschichte. Ein Ensemble historischer Stadtgebäude fügt sich zusammen zu einem Bild früher Stadtentwicklung und zu einem Zeugnis industrieller Revolution.

1726 als Fächerstadt geplant, wird Karlsruhe mit ansteigender Bevölkerung und mit breiter Besiedlung den Veränderungen der Zeit immer neu angepasst. Die Südstadt mit ihren Mietshäusern für die aufkommende Arbeiterklasse und der innerstädtische Güterbahnhof oder die Rheinbegradigung und das Hafengebiet. Auch die Industrialisierung und die Mechanisierung von Fleisch und anderen Nahrungsmitteln legen in Karlsruhe ihren Standort fest.

Diese Zeit ist vorbei. Es wird umstrukturiert und der Betrieb des Schlachthofes verlässt nach und nach seine historischen Gebäude. Kulturbetriebe, wie das Tollhaus und der Jazzclub rücken nach. Zonen der Kunst, wie die Gegenmesse UND entwickeln sich aus sich selbst heraus, um vorübergehend ihre Zelte auf dem Schlachthofareal aufzuschlagen. Ein Instrumentenbauer und eine junge Werbeagentur sind an langfristigen Verträgen interessiert. Das Kulturamt arbeitet daran, die Veranstalter des Substage-Programms dort unterzubringen. Im Stadtmarketing ist jetzt die Rede von einem Kreativ-Park auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes.

Einer, der zu Zeiten des Schlachtbetriebes bereits dort tätig war, ist der Künstler Georg Schalla. Inmitten anrollender Lastwägen voller brüllender Kühe und Schweine unterwegs in die Mechanik des Todes und inmitten des Gestanks, der Ausdünstungen und ratternder Kühlanlagen der Fleischfabrik, hat Georg Schalla seit über zehn Jahren dort eine Halle angemietet, die als Atelier für die übergroßen Formate seiner Bilder dient. Eine weitere der Sandsteinhallen hat Georg Schalla dabei ab 2002 mit dem ART ZENTRUM für die Kunst verfügbar gemacht.

Ein Atelier mitten in einem Schlachthofbetrieb zeichnet seine Spuren in der künstlerischen Auseinandersetzung und in dem Blick des Künstlers auf den Tod, auf die Raumarchitektur, die Stadtgeschichte und auf die Chancen der Zukunft.

Gradlinig zieht sich die Institution für solche Zusammenhänge durch das Werk und durch die Aktionen von Georg Schalla. Immer wieder bezieht er daraus die Energie mit interdisziplinären Kunstprojekten auf die gegebene Situation zu reagieren und auf das Potential künstlerischer und kultureller Ideen zu verweisen.

Museen und Institutionen um frei bespielbare Situationen, um geschichtliche Orte und Räume, um die Chancen und die Möglichkeiten einer kulturellen Weiterentwicklung zu ergänzen, das ist das eigentliche Werk von Georg Schalla.

Daß diese künstlerische Denkweise seiner interdisziplinären Kunstprojekte in und um Karlsruhe auch immer wieder eine Vorreiterrolle für tragfähige Kulturkonzepte und deren weiterführende Umsetzung bewirkt hat, ist unbestreitbar. Der Orgelfabrik in Durlach, als einem inzwischen etablierten Kunstraum, ist 1983 das vier Monate umfassende Kunstprojekt DAS JÜNGSTE GERICHT voraus gegangen. Und ab 1986 hat das Projekt 99,9% KUNST AUS LEEREM RAUM in den Hallen der ehemaligen Munitionsfabrik IWKA, die Weichen für einen Kunstraum gestellt, der dann mit dem Einzug des ZKM, der HfG, des MNK und der Städtischen Galerie in den Hallenbau A zu einer erfolgreichen Stadtentwicklung geführt hat.

DER LETZTE TANZ, Kunstprojekt und Weltentheater in dem Gebäude der ehemaligen Schlachterei auf dem Schlachthofgelände in Karlsruhe, ist nun am 05. Mai 2007 eröffnet worden. Das Szenario ist der Inhalt.

Georg Schalla, Initiator und Motor des Projektes, hat Künstler aller Sparten zusammengebracht, um mit ihnen diesen Ort zu bespielen. Installationen und Malerei beziehen sich auf die Räume und ihre Funktion. Zeichnungen, Skulpturen, Collagen und Fotografien setzen sich mit Hintergründen, Querverweisen und den alltäglichen Gegebenheiten von Fleisch und Nahrungsmittelkette auseinander. Filme zeigen kommentarlos die Vorgänge auf und neue Medien mischen sich kontrastreich ein. Eine Bandbreite künstlerischer Blickwinkel ohne Gruppendenken, ohne Konkurrenzabsichten und bewußt gegen den kommerziellen Strich.

Es geht hier allein um künstlerische Formen und Inhalte, die sich an Räumen und ihrer Funktion orientieren. Es geht um ein Stück Karlsruher Stadtgeschichte und es geht um eine Sache: Raumkunst, Kultur und Kreativität.

Bei der Eröffnung werden Performance, Tanz und Komposition mit einbezogen. Weitere Veranstaltungen und ein laufendes Programm sind geplant. Die Vorarbeit ist geleistet, Eigeninitiative und Selbstorganisation, Unabhängigkeit und weitreichende Eigenfinanzierung, sowie jede Menge unbezahlte Arbeitsstunden und der Verzicht auf die, in der Kunst üblichen Konditionen, wie zum Beispiel Transport, Versicherung oder Ankäufe.

Einladungskarten, Plakate und ein gebundener, 71 Seiten umfassender Katalog zu dem Projekt und den beteiligten Künstlern, legen vor.

Georg Schalla, Initiator und Motor dieses Projektes im Schlachthof Karlsruhe macht, zusammen mit den beteiligten Künstlern, der Stadt Karlsruhe und ihren Bürgern, dem Kulturamt Karlsruhe und dem gemeinsamen Wunsch nach einer baldigen Kulturhauptstadt, sowie nach einem fantasievollen und vielfältigen Kreativ-Park, das situationistische Experiment DER LETZTE TANZ zum Geschenk.

Schade eigentlich, daß die Bürokratie nun so wenig Verständnis und Verwendung für so viel Kreativität an den Tag legt. Die Summe aller Verordnungen, Auflagen sowie Beschränkungen für den Start des Projektes und für seine Weiterführung ist schlagartig ins Unermessliche angewachsen. Und in einer Stadt des Rechts lässt sich plötzlich kein einziger Jurist auftreiben, der eine simple Lösung dafür findet, daß das Betreten einer offenen Baustelle auf eigene Gefahr geschieht.

Die Bürokratie will eben nur etwas von ihren Bauverordnungen, Versammlungsverordnungen und von der minutiösen Erfüllung spitzfindiger bis schikanöser Auflagen wissen und die Lebendigkeit der Kunst ist dabei offensichtlich nicht machbar.

Kreativ-Park JA, Kreativität NEIN, DANKE. Die Beschneidung der Ideen und des künstlerischen Experimentes, die Verbote eines laufenden Programms, die Einschränkung von öffentlicher Werbung und selbst von einer wegweisenden Beschilderung, überstürzten sich mit der Eröffnung des Projektes.

Besucher ja, aber nur in kleinen Gruppen zu 20 Personen mit einzelnen Führungen und die auch noch ziemlich hintereinander, ähnlich wie bei einem Bergwerkstollen oder wie in Porzellanzimmern eines Fürstenschlosses. Die Situation kippt ab in das Räderwerk der Bürokratie. Die Kunst kann im Schlachthof nicht als Kunst stattfinden, sie muß einer desolaten Selbstzensur das Feld überlassen.

Übrig bleibt eine absurde Galerie, in der die beteiligten Künstler wie Aufsichtsrentner eines toten Museums die Grenzen ihrer Selbstausbeutung gründlich überschritten und den Traum von der Lebendigkeit der Kunst längst ausgeträumt haben. Die Kreativität ist gewünscht, aber sie ist nicht geduldet.

Wir, die Künstler des Projektes, haben unser Bestes und auch unser Äußerstes gegeben, einen Beitrag zu leisten und der Stadt Karlsruhe, samt ihren Bürgern, unseren Traum von Kunst zum Geschenk zu machen.

Da das Konzept in der künstlerisch geplanten Form, auf Grund der Summe von behördlichen (bürokratischen) Beschränkungen und Auflagen nicht umgesetzt werden kann, sehen wir uns veranlasst, die Öffnungszeiten auf die verbliebenen, mit Programm zu bespielenden Termine einzugrenzen.

Diese lauten wie folgt:

26. Mai 2007, 20:00 Uhr
Oliver Langewitz, Film
Anschließend Nikos Mavridis, Geige

02. Juni 2007, 20:00 Uhr
Susanne Weber and friends, Performance
Anschließend Nikos Mavridis, Geige

 

09. Juni 2007, 20:00 Uhr
Helmut Wetter (Saxophon) mit „Raummusik“
Anschließend Nikos Mavridis, Geige

16. Juni 2007, 20:00 Uhr
Oliver Langewitz, Film
Anschließend Nikos Mavridis, Geige

23.Juni 2007, 20:00 Uhr
Helmut Wetter mit „Raummusik“ (Saxophon)
Susanne Weber and friends, Performance
Anschließend Nikos Mavridis, Geige

01. Juli 2007
Finissage „Weltentheater 2007 – Der letzte Tanz“ mit einer Ladung DYNAMIT

Die beteiligten Künstler , Karlsruhe, 15.05.2007